Projekt und Antrag

Zum Ende der Ausbildung steht das Abschlussprojekt an. Ihr könnt es ein wenig mit einem Gesellenstück eines Handwerkers vergleichen. Die erste Frage, die ihr euch stellen werden, ist die Frage nach dem Thema. Der Gesetzgeber formuliert den Bereich, aus dem das Thema kommen muss wie folgt.

[..]hat der Prüfling nachzuweisen, dass er in der Lage ist,

in der Fachrichtung Anwendungsentwicklung:

  • kundenspezifische Anforderungen zu analysieren,
  • eine Projektplanung durchzuführen,
  • eine wirtschaftliche Betrachtung des Projektes vorzunehmen,
  • eine Softwareanwendung zu erstellen oder anzupassen,
  • die erstellte oder angepasste Softwareanwendung zu testen und ihre Einfüh- rung vorzubereiten und
  • die Planung und Durchführung des Projektes anforderungsgerecht zu dokumentieren

in der Fachrichtung Systemintegration:

  • auftragsbezogene Anforderungen zu analysieren,
  • Lösungsalternativen unter Berücksichtigung technischer, wirtschaftlicher und qualitativer Aspekte vorzuschlagen,
  • Systemänderungen und -erweiterungen durchzuführen und zu übergeben,
  • IT-Systeme einzuführen und zu pflegen,
  • Schwachstellen von IT-Systemen zu analysieren und Schutzmaßnahmen vorzuschlagen und umzusetzen sowie
  • Projekte der Systemintegration anforderungsgerecht zu dokumentieren.

in der Fachrichtung Daten- und Prozessanalyse

  • kundenspezifische Anforderungen zu analysieren,
  • die Projektumsetzung zu planen und dabei die zugehörigen betrieblichen Prozesse zu berücksichtigen und die bestehenden Regeln einzuhalten,
  • Daten zu identifizieren, zu klassifizieren, zu modellieren, unter Nutzung mathematischer Vorhersagemodelle und statistischer Verfahren zu analysieren und die Datenqualität sicherzustellen,
  • die Analyseergebnisse aufzubereiten und Optimierungsmöglichkeiten aufzuzeigen sowie
  • Projekte der Datenanalyse anforderungsgerecht zu dokumentieren. 


in der Fachrichtung Digitale Vernetzung

  • hardware- und softwarebasierte Schnitt- stellen und Komponenten in bestehende Infrastrukturen einzubinden und dabei die Anforderungen an die Informationssicherheit zu erfüllen,
  • eine vorhandene Systemarchitektur über mehrere Prozessebenen und über deren Prozessabläufe zu bewerten, zu dokumentieren und zu visualisieren, 

  • Schnittstellen unterschiedlicher Prozesse und Systeme zu implementieren, zu konfigurieren und in Betrieb zu nehmen, 

  • Gesamtzusammenhänge in heterogenen IT-Landschaften zu bewerten und zu be- schreiben sowie 

  • Übertragungssysteme anforderungsgerecht auszuwählen, zu konfigurieren und in die Gesamtinfrastruktur zu integrieren. 


Die Beschreibungen sind erwartungsgemäß sehr theoretisch und es lassen sich unzählige Projekte hinein packen. Es wäre ein sinnloser Versuch, hier alle möglichen Themen aufzuschreiben, denn ihr wisst selbst, wie umfangreich das Gebiet der Informatik ist. Deshalb will ich versuchen, einige Themen zu nennen, die nicht in diese Definition passen und deshalb vermutlich abgelehnt werden. So sind für Fachinformatiker Systemintegration Themen der Programmierung nicht zugelassen. Ausgenommen sind dabei kleinere Skripte, die nur eine untergeordnete Rolle spielen. Auf der anderen Seite sind Themen, wie eine Verkabelung ebenfalls nicht zulässig. Dies gehört eher in den Bereich der Anlagen- bzw. Elektroinstallation. Das reine Konfigurieren und Aufstellen von Rechnern stellt in meinen Augen ebenfalls kein „komplexes“ System dar und wird es deshalb kaum zur Zulassen schaffen.

Im Gegensatz dazu müssen Fachinformatiker Anwendungsentwicklung natürlich ein Programmierprojekt haben. Das Gestalten einer Webseite ist jedoch kein zugelassenes Projekt in diesem Sinne. Bei aktiven Komponenten auf der Webseite und ggf. einer Datenbankanbindung sieht das schon anders aus. Die Konfiguration des Servers jedoch passen ebenso nicht in diese Fachrichtung. Das wäre eher wieder was für den Fachinformatiker Systemintegration. Bitte sehr mir nach, dass ich zu den beiden neuen Fachrichtungen noch keine konkreten Aussagen treffen kann. Es wird sich zeigen, welche Projekte in Frage kommen und welche nicht. Aktuell sind diese Fachrichtungen im Kammerbereich kaum relevant.

Umfang des Projektes
Aber wie umfangreich soll, bzw. darf das Projekt denn sein? Auch hier schreibt uns die Verordnung über die Ausbildung den zeitlichen Rahmen von bis zu 40h bzw. 80h (bei Anwendungsentwicklern) als Maximum vor. Bedenkt aber, dass in diesem Zeitrahmen auch die gesamte Planung sowie die Erstellung der Dokumentation enthalten sind. Effektiv bleiben euch so vermutlich grade mal 25 bzw. 50 Stunden für das eigentliche Projekt übrig. In dieser Zeit solltet ihr euer Projekt realistisch umsetzen können. Das Projekt muss plausibel zur angegebenen Zeit passen.

Es schreibt euch aber niemand vor, dass in diesem Zeitraum ein komplettes Projekt bearbeitet werden muss. Gerne kann euer Prüfungsprojekt Teil eines viel größeren Projektes sein, das ihr zusammen mit anderen Mitarbeitern (das müssen keine Auszubildenden sein) umsetzt. Solche Projekte werdet ihr in der Praxis viel häufiger vorfinden. Wichtig ist dann nur, dass ihr in einem solchen Fall die Abgrenzung zum Gesamtprojekt deutlich darstellt. Dazu komme ich aber später noch.

Irgendwann habt ihr euch mit eurem Ausbilder und ggf. euren Kollegen auf ein Thema geeinigt und der nächste Schritt steht an, der Projektantrag. Leider müssen wir oft Anträge wegen Kleinigkeiten ablehnen, was wirklich unnötig ist. Nur die wenigsten Anträge werden wegen eines nicht geeigneten Themas abgelehnt. Damit euer Antrag erfolgreich ist, gehe ich die einzelnen Felder des Formulars Schritt für Schritt durch und erkläre, was genau dort hinein muss.

Ausbildungsbetrieb/Praktikumbetrieb
Für betriebliche Auszubildende ist das einfach, hier kommt natürlich der Name des Ausbildungsbetriebes rein, sowie die Adresse. Auch dann, falls das Projekt selbst nicht im Betrieb stattfindet, z.B. bei einem Kunden. Schulische Auszubildende bzw. Umschüler tragen hier bitte Name und Adresse des Bildungsträgers ein. Teilnehmer an der Prüfung, die keinen Betrieb haben lassen das Feld einfach leer.

Projektbezeichnung
Gebt eurem Projekt einen aussagekräftigen, aber nicht zu langen Namen und tragt diesen hier ein. Bsp. „Migration eines Mailservers“, „Programmierung eines Schnittstelle zu einem CRM“, usw.

kurze Projektbeschreibung
Habt ihr gelesen, kurze Beschreibung steht dort. Also bitte keine Romane schreiben. Dennoch ist dieses Feld sehr wichtig und eine der größten Fehlerquellen. Ihr solltet kurz das Projekt beschreiben und dabei auch den Grund benennen. Bsp: „Ein existierender Mailserver soll auf eine neue Version migriert werden...“. Versucht auf jeden Fall den fachlichen Anspruch deutlich darzustellen, aus dem hervor geht, was genau ihr vorhabt. Um bei unserem Beispiel zu bleiben, sollte so etwas wie „dazu sind die Daten des Servers vorab zu sichern“ enthalten sein. Steht das nicht im Text, müssen wir davon ausgehen, dass ihr diese Arbeit nicht durchführen wollt, soweit dies nicht später aus der Zeitplanung ersichtlich wird.

Bei Teilprojekten solltet ihr auch den Rahmen des gesamten Projektes nicht unerwähnt lassen. So könnte unser kleines Beispiel „im Rahmen der Konsolidierung der gesamten Infrastruktur“ statt finden. Auch den Umfang solltet ihr nicht vergessen. Es ist ein großer Unterschied, ob ihr „in einem Netzwerk Spanning Tree konfigurieren“, oder ob ihr „in einem Netzwerk auf 30 Switches Spanning Tree konfigurieren“. In erstem Beispiel müssen wir von einer sehr einfachen Variante ausgeben. Sollte vorab nicht klar sein, ob es nun 25 oder 30 Switches werden, schreibt mind. 25. Ich denke ihr habt verstanden was gemeint ist.

Nennt auch ganz klar das Ziel des Projektes. Das geht manchmal nicht aus der Beschreibung hervor. Sollte euer Projekt z.B. die Programmierung einer Schnittstelle zu einem Kassensystem sein, ist es schon wichtig zu wissen, dass diese Schnittstelle zum Export der Daten in einen Webshop gedacht ist.

Noch einmal zusammengefasst sollten folgende Punkte aus der Beschreibung hervorgehen: Ziel des Projektes/Notwendigkeit, Umfang, fachlicher Anspruch.

Projektumfeld
Wo findet euer Projekt statt? In einer bestimmten Fachabteilung? Für Prüflinge aus schulischer Ausbildung oder von Bildungsträgern ist hier der Platz, den Namen und die Anschrift des Praktikumbetriebes zu nennen. Für betriebliche Auszubildende kann hier z.B. der Kunde stehen, bei dem das Projekt statt findet. Soll dieser nicht genannt werden, kann auch „Das Projekt wird bei einem Kunden (Arztpraxis) durchgeführt“ stehen. Bitte hier keine weiteren Abgaben zum Betrieb einfügen.

Projektphasen mit Zeitplanung

Hier solltet ihr die 40 bzw. 80 Stunden genauer auf die einzelnen geplanten Arbeits- schritte aufteilen. Dieses Feld ist die unangefochtene Nummer 1 unter den Fehlerquellen. Ihr sollt hier schon beim Antrag zeigen, dass ihr den Umfang von bestimmten Arbeiten einschätzen könnt. Und natürlich müssen alle Phasen in entsprechendem Umfang untergebracht werden, also die Planung, die Durchführung, den Test sowie die Auswertung und das Erstellen der Dokumentation. Das Erstellen der Präsentation ist übrigens nicht Bestandteil der geplanten Zeit. Apropos Zeit, die 40 bzw. 80 Stunden sind als „höchstens“ angegeben. Es können also auch etwas weniger sein. Allerdings besteht dann die Gefahr, dass das Projekt nicht mehr dem Anspruch genügt. Werte zwischen 37 und 40, bzw. 75 und 80 Stunden sind aber völlig in Ordnung. Die Zeitplanung zeigt dem Prüfungsausschuss durchaus auch den Umfang des Projektes, als Ergänzung zur Beschreibung.

Die Zeitplanung selbst untergliedert bitte nicht weiter als in 30 Minuten Schritte, besser ganze Stunden. Ihr solltet auch jedem geplanten Punkt nicht mehr als 8 bis 10 Stunden zuordnen, sonst bitte weiter untergliedern. Plant bitte mindestens 50% der Zeit für die gesamte Durchführung (meist ist es etwas mehr). Für die Dokumentation solltet ihr nicht mehr als 10h bzw. 15h (Anwendungsentwicklung) planen.

Grade in der Programmierung ist es schwer, eine Aufteilung unter 8h zu benennen. Alternativ könnt ihr hier Komplexe bis 20h planen und diese durch Unterpunkte genauer erklären Bsp:

Erstellung der Datenbank (20h)

  • Daten analysieren
  • Tabellen erarbeiten
  • 3. Normalform herstellen
  • Datenbank anlegen

Eine schlecht untergliederte Zeitplanung führt zu einer Ablehnung.

Dokumentation zur Projektarbeit
Habt ihr neben der Projektdokumentation geplant, weitere Dokumentationen einzureichen? Dann benennt diese bitte. Hier gehören Dinge wie Kundendokumentation, Pflichtenheft oder Schulungsunterlagen hinein. Die Projektdokumentation selbst braucht ihr nicht zu erwähnen, die müsst ihr ohnehin abgeben. Bitte tragt hier auch keine Inhalte der Dokumentation ein. Tragt aber auch Dokumente ein, die nicht von euch selbst erstellt wurden, wie z.B. das Lastenheft. Diese sollten nach Möglichkeit dann als "fremde Dokumentationen" gekennzeichnet sein.

Durchführungszeitraum
Inzwischen heißt dieses Feld Bearbeitungsdauer (obwohl dieser Name irreführend ist), die Bedeutung ist aber die Gleiche. Hier scheint es immer Missverständnisse zu geben. Der Durchführungszeitraum hat nichts mit der geplanten Zeit zu tun. Er gibt an, in welchem Zeitrahmen das Projekt stattfinden soll. Bedenkt, dass ihr sehr unwahrscheinlich eine Woche (oder zwei) komplett ausschließlich an eurem Projekt arbeiten werdet. Es wird andere Arbeiten geben, die eure Aufmerksamkeit erfordern. Oder ihr müsst auf die bestellte Hardware warten, um weiter machen zu können. Wichtig ist nur, dass der Zeitraum vor dem durch die IHK gesetzten Abgabetermin für die Projektarbeit endet.

Themenbetreuer
Ihr seid Auszubildender/Praktikant und das Projekt wird sicher von eurem Ausbilder oder einem Mitarbeiter betreut. Hier solltet ihr diesen Mitarbeiter benennen.

Präsentationsmittel
Bitte gebt an, welche Hilfsmittel ihr für die Präsentation benötigt, damit diese zur Verfügung gestellt werden können. Gebt diese bitte nur dann an, wenn ihr sie wirklich benutzen wollen. Zusätzlich können andere Präsentationsmittel beantragt werden, wie ein Laptop und ein Beamer, die vom Teilnehmer funktionstüchtig mitzubringen sind. Dazu kommen wir beim Kapitel „Präsentation“ noch mal genauer.


Der Projektantrag hat übrigens keinen Einfluss auf die Bewertung. Es gibt dafür keine Note. Dennoch ist es schön, wenn beim ersten Antrag alles genehmigt wird und keine Nachbesserungen notwendig sind. Das spart Zeit, die ihr viel besser für euer Projekt einsetzen könnt. Übrigens, es kommt gelegentlich vor, dass wir Anträge mit Auflagen genehmigen. Ein typisches Beispiel ist, dass der Durchführungszeitraum über den Abgabetermin hinaus geht. Wenn das Projekt soweit in Ordnung ist, genehmigen wir es unter der Auflage, dass ihr es rechtzeitig abschließt. Achtet in jedem Fall auf solche Auflagen.

Abgelehnt, was nun?
Im Idealfall habt ihr alle Hinweise aus diesem Dokument beachten und der Antrag wurde genehmigt. Leider klappt das nicht immer. Ein abgelehnter Antrag ist aber kein Beinbruch. Seht euch in jedem Fall die Begründung an. Ist das Projekt nicht geeignet, müsst ihr leider von Neuem beginnen. Bei allen anderen Gründen, überarbeitet bitte nur die angemerkten Punkte. Es besteht sonst die Gefahr, dass andere Punkte „verschlimmbessert“ werden. Also Finger weg.